Alkohol. Hochprozentiges Weihwasser, welches uns katapultartig von 0 auf 100 in den Bespaßungshimmel schießen, oder uns ohne jegliche Vorwarnung unangekündigt in die abgrundtiefe Hölle des Suffs abstürzen lässt. Und das wortwörtlich! Von “Life is a party! No Campari, no party!”, bis “Ich sterbe!!! Ich trinke nie wieder!!!”. Wir alle haben mit ihm in unseren Jugendjahren Blutsbrüderschaft geschlossen und seitdem unsere eigenen heiteren, aber auch schmerzlichen Erfahrungen gemacht. Bei mir hat es viele heitere Erlebnisse gegeben, jedoch blieben diese nicht so tief in meiner Erinnerung verankert, wie diejenigen, die schmerzlich, peinlich und unmenschlich toxisch waren.
Als ich soeben meine größten Eskapaden des “der Alkoholpegel kennt keine Grenzen!” Revue passieren ließ, schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: “Oh mein Gott, wieviele Gehirnzellen habe ich dadurch freiwillig zerstört?!?!”. Diese Erkenntnis ist bitter. Ich versuche mich von diesem Gedanken nicht verunsichern zu lassen. Immerhin weiß ich noch immer meinen Namen und Wohnort, beherrsche das ABC, sowie das 1×1. Ich erinnere mich noch sehr gut an dieses allererste Mal, an dem ich Bekanntschaft mit Mr Liquor machte. Es war der 31. Dezember 2004. Ich war 16 Jahre alt. Man könnte meinen, dass ich einen sanften Einstieg in dieses unschöne Alkoholgeschäft hatte, mich langsam in die Welt des “Es geht nur bergab, wie schnell, entscheidest du!” herangetastet habe, doch weder mochte ich Wein noch Bier. Bis heute verstehe ich nicht, wie man sich mit Hilfe von Wein betrinken kann, da dieser in meinen Augen der Inbegriff des Genusses ist und deswegen alles andere als “Mittel zum Zweck” sein sollte. Doch kennt jede Frau diese verzweifelten Stunden des unerträglichen Liebeskummers, in denen weder Schokolade, tränenreiche Gespräche mit der besten Freundin oder Filme a la “Bridget Jones” helfen und wir nach dieser einen rettenden Flasche Sekt oder Wein greifen! Ja, liebe Männer, so unglaublich wahnsinnig macht ihr uns manchmal! Adieu Herzschmerz (für die nächsten 12 Stunden). Mit den Jahren bin ich ein Fan des Weins geworden (nur rot und am liebsten aus Frankreich!) und habe sogar Freundschaft mit dem kühlen Blonden geschlossen. “Eine Deutsche, die kein Bier mag!?” ist ein Satz, den ich mir während meiner Zeit in den USA des Öfteren anhören durfte. Ein Klischee, welches durch mich seit zwei Jahren nun mehr und mehr der Wahrheit entspricht. Doch lasst uns eine Zeitreise zurück an den Abend machen, an dem alles anfing.
Silvester. Die perfekte Nacht um sich abzuschießen! Es klingt fast so, als hätte ich es geplant in dieser Nacht meine alkoholische Jungfräulichkeit zu verlieren, doch dem war nicht so. Ganz im Gegenteil! Ich hatte mir meinen Jahreswechsel alles andere als feucht fröhlich vorgestellt. Fröhlich ja, feucht im alkoholischen Sinne, niemals! Wie schon erwähnt mochte ich damals weder Wein, noch Bier, also blieb mir nur eines übrig: radikal den Rahmen zu sprengen und naiv übertrieben nach dem harten Fusel zu greifen! Das Getränk, welches mir an dem Abend gereicht wurde, war eine Mixtur aus gesundem Vitamin C und 40%igem Kartoffelschnaps. Dem Nationalgetränk der Russen und anderer osteuropäischen Nationen. Wovon ich spreche? Wodka-O. Unfassbar, wenn ich darüber nachdenke, dass mir mit 16 Jahren dieser Drink von Erwachsenen serviert wurde. Nun ja, die waren wahrscheinlich auch alle nicht mehr bei Sinnen. Nach einer unschönen Erfahrung einige Jahre später, habe ich dieses sonnenfarbene Teufelsgetränk nie wieder angefasst. Ich habe es mir wortwörtlich übergetrunken. Wodka belegt auf meiner “most hated liquors” Liste Platz 1! Gleich nach ihm folgt sein verrückter mexikanischer Sombreromuchacho Tequila. Was ich heute zutiefst verabscheue, habe ich in der Silvesternacht sehr leichtsinnig zu mir genommen. Mit fatalen Folgen. Ich erinnere mich kaum daran, wie diese Party verlief. Ich erinnere mich an den Anfang und an das (unschöne) Ende. Mir ging es alles andere als gut und somit brachte mich meine Freundin kurze Zeit nach Mitternacht nach Hause. Das Erste, was ich tat, war nach dem Menschen zu suchen, der uns in diesem Moment des Sterbens größte Fürsorglichkeit und Liebe zukommen lässt: Mama. Ich bin mir sicher, dass sie schon allein durch mein betrunkenes und somit unüberhörbar lautes Getaumel wach war und nur darauf wartete, was als nächstes passieren würde. Behutsam öffnete ich ihre Schlafzimmertür und tastete mich im Dunkeln an ihr Bett heran. Erschöpft und mitleiderregend sackte ich neben dem Bett auf dem Boden zusammen. “Mamaaaaa, mir geht’s schlecht…”, jammerte ich. Meine Mutter hatte jedoch alles andere als Mitleid mit mir und war um etwas ganz anderes als dem Wohle ihres Kindes besorgt. “Kotz mir ja nicht meinen Teppich voll!!!”. Nun, wer so viel trinken kann, muss wohl mit den Konsequenzen rechnen. Ich schaffte es irgendwie ins Bett und hatte mir geschworen nie wieder Alkohol zu trinken, während sich mein Bett mit gefühlten 100mk/h im Kreis drehte!
Nie wieder Alkohol zu trinken habe ich mir schon so einige Male geschworen und immer war ich es, die diesen Schwur brach. Wenn ich rückblickend mein Erlebnis in der Neujahrsnacht 2004 betrachte, war dies das sogenannte “Vorglühen” zu dem, was die Jahre darauf folgte. Es folgten unzählige Jahrtausendabstürze:
Sommer 2007: als ich mit trinkwütigen Norddeutschen in Schleswig-Holstein Doppelkorn trank, der mich nur haarscharf an einer Alkoholvergiftung vorbeirasen ließ und meiner Leber ihre Grenzen aufzeigte (mir ging es übrigens drei Tage in Folge miserabel!).
Sommer 2008: als ich bei den berühmt-berüchtigten Scheunenfeten jedes alkoholische Getränk zu mir nahm, welches ich in die Finger bekam, ich eine Sprite Flasche gefüllt mit Korn-Cola in einem Busch versteckte und unzählige Tequila shots mir den Rest gaben und somit am nächsten Tag nicht zu einem Konzert der Ärzte gehen konnte. Die Karte bekam ich von meiner Mama zu Weihnachten geschenkt, welches mich noch schlechter fühlen ließ. Seit dieser Nacht hasse ich Tequila!
März 2009: als ich wie eine Wahnsinnige auf einer Geburtstagsfeier tanzte und von jemandem mit einer Zigarette gebrandmarkt wurde, es in dem Moment nicht schlimm fand und am nächsten Morgen dachte: “Fuuuuuuck! Dieser blöde Penner!!!”. Was blieb ist neben der peinlichen Erinnerung, eine Narbe der Schande.
Halloween 2013: als Captain Morgan in der Nacht mein bester Freund wurde, ich Karten spielte wie ein Spielsüchtiger in Vegas, einen cremfarbenen Teppich mit meinem Drink taufte und dank meines Freundes den Weg zur Metro und nach Hause fand. Captain Morgan stellte sich als schlechtester Einfluss aller Zeiten heraus und nahm mir an diesem Abend jegliches Gefühl von Sprache und Fortbewegung. Damn you, Morgan!
“Mit dem Alter kennt man seine Grenzen und wird vernünftiger!”, sagte meine Mama früher immer zu mir. Mit 18 kennt man das Wort “Grenzen” noch lange nicht. Nun, mit 26 und einer gefühlten Million Gehirnzellen weniger, weiß ich mich zu zügeln, kenne meine Grenzen und weiß, wann es reicht. Irgendwann heißt es eben verantwortungsvoll handeln und leben!