Wie wir alle wissen, ist die Erziehung eine Sache für sich. Reine Geschmackssache. So behandeln Eltern sie behutsaman wie eine exotische Suppe, an welche sie sich langsam herantasten und mit allen möglichen Gewürzen am Ende entweder zum besten Gericht aller Zeiten, oder aber auch unerbittlich und unwideruflich versalzen serviert wird. Et voilà! Mission gescheitert! Der Michelin Stern rückt somit in weite Ferne…
“Okay, das hat nicht wirklich geklappt, wie ich es mir vorgestellt habe. Es ist schwieriger als ich dachte.”, höre ich viele Mütter verzweifelt zu ihren Ehemännern sagen, die nur eine passende Antwort mit Achselzucken parat halten. “Naja, es ist halt unser erstes Kind. Was will man da großartig erwarten? Außerdem sind Erstgeborene meistens immer die “missratenen” Kinder. Kann man sich so vorstellen wie bei Versuchskaninchen. Man muss eben alles erstmal ausprobieren. Also wird man förmlich dazu gezwungen, dass man ein zweites Kind bekommt, da man sich, der Gesellschaft und auch seinem ersten Kind beweisen muss, dass man es besser kann.” Übung macht eben den Meister und diese sind definitiv noch nie vom Himmel gefallen. Was soll man jedoch tun? Man hat keine Wahl, was das Ausprobieren betrifft. Mutter Natur schenkt einem ein Baby und mit leicht spöttischem Lachen, hat sie nur diese Worte des Mitleids für neugebackene Eltern übrig:
“So, na dann mal viel Spaß und auf gut Glück, was?!”. Und von einer Sekunde auf die andere muss man herausfinden, was es heißt Verantwortung für ein kleines zerbrechliches Geschöpf zu übernehmen. Für immer! Bis an sein Lebensende! Klingt ziemlich erschreckend, oder?! Nun haben aber schon Millionen Menschen es vorher auch geschafft. Da wären wir dann wohl bei dem Begriff “Instinkt”, oder auch wörtlich “Naturtrieb” genannt. Thank God for instincts und ein Hoch auf die Evolution! Wir alle werden vom Leben ins kalte Wasser geworfen, wobei ich bei eine der unglaublichsten Geschichten angekommen bin, die ich jemals über die Erziehung eines Kindes gehört habe!
Morgens halb zehn in Deutschland – Ich befand mich auf dem Weg von meiner Frühstückspause zurück an die Arbeit. Knoppers gab es nicht, jedoch unfassbare Geschichten über individuelle Erziehungsmethoden, von welchen ich zuvor noch nie mit meinen eigenen Ohren gehört hatte, die ich nicht mehr aus meinem Kopf bekam. Man munkelte, dass es sie gibt, jedoch war man sich nie sicher. Jetzt bin ich es! Sie machten mich anfangs sprachlos, bis sie mich langsam aber sicher zum lachen brachten. “Ahahaha, das ist nicht dein Ernst!”, sagte ich zu meiner Kollegin, die mich mit ihrem Blick eines Besseren belehrte. “Oh doch, das ist mein Ernst.”. Alles begann damit, dass wie über eines der unbeliebtesten Laster vieler Deutsche diskutierten: das Rauchen! Wir waren zu dritt. Zwei Raucher und ein Nichtraucher. Der Nichtraucher, mit der ungewollt toleranten Passivraucherlunge war ich. Ich müsste mich dem Rauch nicht ausetzen, jedoch ist unser Nichtraucherraum einer Abstellkammer gewichen, da dieser eh von niemandem genutzt wird. Tja, so ist es heutzutage, wenn man in Deutschland unter geschätzten 22 Millionen Rauchern versucht sozialen Anschluss zu knüpfen. Aber zurück zum Wesentlichen:
Wie hält man seine Kinder vom Rauchen ab, wenn man selbst einer ist?
Diese Frage konnte mir meine Kollegin bestens beantworten. “Meine Tochter meinte letztens zu mir, dass sie auch rauchen möchte, wenn sie groß ist. Das machen eben alle Frauen, die groß sind. Sie rauchen. Und leider rauchen auch nur Frauen in unserer Familie.”, sagte sie mit weit geöffneten Augen. Ein “verdammter Mist!” Ausdruck. Ich fragte sie, wie sie ihrer Tochter beibringen würde, nicht zu rauchen. “Kinder sind nicht dumm. Eltern sind Vorbilder und wenn man ihnen sagt, dass sie nicht anfangen sollen zu rauchen, fragen sie dich warum, da du es ja auch machst.”, sagte ich ihr mit verschrenkten Armen. Ich war gespannt, welche Antwort sie mir geben würde. Sofort hatte sie eine auf Lager. “Nun ja, ich habe ihr gesagt, dass es dumm macht. Wiederum plappern Kinder alles nach. Stell dir mal vor, sie würde jedem im Kindergarten erzählen, ihre Mutter sei dumm. Das ist ja schon ziemlich peinlich.”. Ich stellte mir “Rauchen macht dumm” Sticker auf Zigarettenschachteln vor. Definitiv nicht effektiv genug. Kurz darauf erzählte sie uns, wie sie ihren älteren Sohn davon abgehalten hat jemals mit dem Rauchen anzufangen. “Ich erwischte ihn immer wieder dabei, wie er sich meine Zigaretten in den Mund steckte und damit spielte und so tat, als würde er rauchen. Also gab ich ihm eine, steckte sie an und sagte ihm, dass er tief einatmen soll. Er war damals 2 Jahre alt und hat seitdem keine Zigarette mehr angefasst und wird es auch nie wieder tun.”. Von jetzt auf gleich sah ich meine Kollegin, welche die Welt mit ihren gütigen blauen Augen betrachtete und auf mich immer gütig wirkte, mit ganz anderen Augen. Ich musste schlucken. Und schon gab es wieder eine der besten Vorführungen, was das gute alte Kopfkino betraf. Ich hätte gerne gewusst, wie alt ihr Sohn ist, habe sie jedoch nicht danach gefragt. Wahrscheinlich befand ich mich in einer Schockstarre, die mir das Sprechen verwehrte. Und wenn man denkt, es kann nicht besser werden, dann liegt man meistens gewaltig daneben. Was jetzt dabei war zu passieren, sprengte jeglichen Rahmen meiner Vorstellung, was Erziehung betrifft. Und ich habe während meiner zwei Jahre als Au Pair so einiges erlebt und gehört…
Ich glaube, dass meine Kollegin durch das schummrige Licht im Aufenthaltsraum meinen erschreckten Blick nicht erkennen konnte, als sie mit ihren Erzählungen über “Wie erteile ich meinen Kindern eine Lektion, ohne in den Knast zu gehen, oder vom Jugendamt verfolgt zu werden?” fortsetzte. Zurück zum Thema “Ins kalte Wasser geworfen werden”! “Mein Sohn hat mir zum Beispiel niemals geglaubt, dass der Teich tief ist. Er ist immer zu dicht rangegangen und ich habe ihm immer gesagt, dass er vorsichtig sein soll, da der Teich tief ist und er nicht schwimmen kann, wenn er reinfällt. Er hat mir nie geglaubt und immer gesagt, dass er nicht tief ist, also habe ich ihn reingeschubst.”. Meine erste Reaktion war fassungsloses Lachen aufgrund meines wieder aufkommenden Kopfkinos. “Oh Gott, das arme Kind!”, sagte meine andere Kollegin. Auch sie musste lachen. Es war eines dieser verbotenen Dinge, über die man nur mit vorgehaltener Hand kichern durfte. Da uns diese Geschichte aber vom eigentlichen Straftäter und Mutter erzählt wurde, verwandelte sich das leise Kichern in lautes Gelächter.”Von dem Tag an stand er aber nicht mehr so dicht am Teich und hat immer gesagt, dass der Teich tief ist (wenn es jemand weiß, dann er).”, sagte sie mit einem Selbstbewusstsein, welches uns vermittelte, dass sie alles richtig gemacht hat. Ich bin mit Sicherheit kein Befürworter von Verweichlichung und bin generell der Meinung, dass die meisten Kinder heutzutage durch exzessives Bemuttern unselbstständig und verwöhnt erzogen werden. Dies sind wiederum Maßnahmen, die selbst meine Vorstellungen übertrafen. Ich muss zugeben, dass ich sehr gelacht habe. Immerhin war auch ich diejenige, die bei “Hangover” am lautesten lachte, als das kleine Baby Carlos die Polizeiwagentür ins Gesicht bekam. Ich besitze nun mal einen sehr schwarzen Humor. Ich denke, dass meine Kollegin diese Geschichte erzählen kann, da ihr Sohn weder ertrunken, noch bleibende Erinnerungen an dieses traumatische Erlebnis hat (hoffentlich!). Als ich dabei war, mir diese Geschichte durch den Kopf gehen zu lassen, legte meine Kollegin noch einen oben drauf. “Die Probleme habe ich mit meiner Tochter nicht. Sie hört aufs Wort. Wenn ich ihr sage, das gibt es nicht, oder das darf sie nicht, dann lässt sie es. Außerdem hätte ich sie auch nicht in den Teich schubsen können, da dieser tiefer ist. Der andere war nicht so tief.”
Oh Gott…